So nett kann „Böse“ sein

Hinter einem charmantem Verkäuferlächeln heckt sie ihre Attacken auf die bürgerliche Krämerseele aus. Unentwegt pilgert das rauchende und lottospielende Publikum zu ihr in die kleine Trafik am Salzburger Stadtrand. Ahnungslos betreten sie mit ihren kleinen und großen Marotten das geheime karbaretistische Versuchslabor der Veronika Vereno. Nichts entgeht ihren fröhlich blitzenden Falkenaugen. Alle werden zum Opfer, irgendwann. Ihre Grundhaltung zu den Menschen im Allgemeinen ist liebevoll. Die zum Establishment, gelegentlich skeptisch. Dann nimmt sie lustvoll, als Darstellerin und Autorin, die Stereotypen ihrer Mitmenschen aufs Korn.

Zum Heulen, ihre Schilderung des Beziehungsgeflechtes einer Geplagten zu ihren Zukunftserforschungseinrichtungen. in: Die Huabarin: (Seite 70)

Das Pendel hat ihr gependelt,
daß sie in einer schweren Beziehungskrise steckt.

Die Karten haben ihr gesagt, daß ihr das Pendel
pendeln wird, daß sie in einer schweren
Beziehungskrise steckt.

Die Wahrsagerin hat ihr prophezeit, daß ihr die Karten sagen werden, daß ihr das Pendel pendeln wird
daß sie in einer schweren Beziehungskrise steckt.

Nach jahrelangen Sitzungen bei ihrem
Therapeuten ist es ihr schließlich gelungen,
die glückliche Beziehung zu ihrem Pendel
wiederherzustellen.

Veronika Vereno. Jahrgang 1953, Tabakverkäuferin, Schauspielerin, Autorin und Mutter zweier ungewöhnlicher Söhne. Der eine studiert Philosophie und hilft auch gelegentlich in der Trafik aus, der andere ist Abenteurer. So hat die ungewöhnliche Frau stets die Wahl zwischen einer wilden oder einer hintergründigen Geschichte in die sie als Mutter, je nach Laune,  verstrickt werden will. Das ist der Vorteil von 2 Kindern, denke ich, Vater von nur einem wilden Sohn, etwas wehmütig.

Frank Tichy > bezeichnete sie im Epilog ihres Büchleins: „Die Huabarin“ als schreibenden Deix: „Er hat das Gesicht des Österreichers wie kein anderer zu Papier gebracht, der Manfred Deix. Sie hat die Gedanken und Sprache solcher Zeitgenossen zu Papier gebracht, die Veronika Vereno. Ihre Texte sind nicht abgehoben und verdichtet zu Kunstlyrik, sie sind das Ergebnis eines Menschen, der seinen Mitmenschen aufs Maul schaut und ihre Bosheiten und Hässlichkeiten durch ihre Sprache entlarvt …“ Das köstliche, 87 seitige Büchlein ist ein Kleinod. Illustriert von einem bei jedem Strich sichtlich vom Inhalt angetanen Thomas Witzany. Ich halte es in meiner Hand und bin hingerissen. Ihre Texte funkeln und blitzen nach allen Richtungen. Und wenn man gerade zu einem schallenden Hohngelächter ansetzen möchte, trifft dich eine tieftraurige Faustnuss ins Genick:„Franz war einer der wenigen, der Postwurfsendungen über alles liebte. Es war die einzige Post, die er bekam“ so endet es auf der letzten Umschlagseite. Das Buch: „Die Huabarin“ von Veronika Vereno und Thomas Wizany ist vermutlich schon längst vergriffen. Es ist 1995 in einer Auflage von 600 Stück erschienen. Herausgegeben von „prolit“ Verein zur Förderung von Literatur. ISBN 3-901243-08-9. Unentwegte können ja im Internet auf Veronikas Homepage > versuchen noch eines um 10 Euro zu ergattern. Die wurde zuletzt 2002 aktualisiert und signalisiert:“Mit der Onlinepartie hab‘ ichs nicht so dick“ oder sie fahnden nach einem gebrauchten Exemplar. Die Chancen stehen aber schlecht. Wer gibt denn so etwas noch aus der Hand?

 

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