Flugstunde am Wildkogel

Wenn sich ein Taxhamer vom 24 Stunden Orchester tausender Verbrennungsmotoren löst und sich Richtung Berge aufmacht, plagt ihn eine große Sorge: Wird es mir dort nicht viel zu ruhig sein?  Günther Witzany >, Philosoph, Forscher und Herausgeber vieler Leopold Kohr Schriften war mein orts- und geschichtskundiger Reisebegleiter.

Der von Leopold Kohr und Alfred Winter 1986 gegründete Verein schafft seit 25 Jahren den Spagat zwischen kulturellem Erbe und Zeitgenössischem. Dabei entsteht Raum und Publikum für neue Impulse. Susanna Vötter-Dankel und Christian Vötter, den Mithütern des Leopold Kohr Erbes, hatten uns eingeladen.  An die 120 Gäste kamen und wurden durch mitreissende Darbietungen von „Der Berg“ und den „Suachanden“ in beste Feierlaune gebracht. Herta Dietrich-Oberhollenzer, Quartiergeberin und Wirtin vom „Pferdestall“, nahm uns herzlich auf. Herta ist ein Kind der Region im besten Sinne, Ihr Vater kam einst aus dem Südtirolischen Arntal über den Krimmler Tauern und schnappte sich ein Dirndl aus Neukirchen. So geht das schon seit Jahrhunderten und der Austausch tut dem Hüben und Drüben außerordentlich gut. Das Henderl soll eine besondere Spezialität des Hauses sein. Mit Zutaten aus Hertas Kräutergarten, mehr ist aus ihr nicht heraus zu kriegen. „Das sei ein wohl gehütetes Familiengeheimnis“ meint sie und lächelt verschmitzt. (Foto anklicken zum ganzen Bild)

Wachträumen am Balkon

Das Licht bleibt lange an diesem 8. Juli 2011. Ich sitze am Balkon meines Zimmers im Gasthof Pferdestall und nuckle an meiner Dannemann. Wolken jagen über die bewaldeten Hänge und dazwischen malt die untergehende Sonne orangegelbe Inseln in den Bergwald. Mit dem fahler werdenden Licht leuchten kleine blassblaue Lichter auf den Gräbern vor der Kirche. Ein berührendes Bild: Wohin ihr auch gegangen seid, wir sind in eurer Nähe, bleiben bei euch so wie ihr in unseren Herzen bleibt. Gerade noch sind die Sturmreiter in wilder Jagt über den Himmel gerast da bleibt der Wind urplötzlich stehen. Die Wolken des Tages erstarren zu Nebelfetzen und sinken langsam auf die Berghänge hinab.

Entwicklung von innen
Vom Kammerlanderstall hör ich „Den Berg“ und die „Suachanden“ die sich temperamentvoll gegenseitig anspielen. A suachende Tuba gibt’s dem Berg ordentlich umi der spielt ihr fröhlich rechts und link eine herunter. Kein Zwist heute zwischen Alt und Neu. Alles vermischt sich jetzt, das Licht der Straßenlaterne, die Grablichter, der Mond, die Musikfetzen und der fröhliche Gesang aus dem Kammerlanderstall. Komisch, so tut er nicht weh, der kunterbunte Mischmasch. Klotzige Pseudoarchitektur neben schmucken Häuschen im alpenländischen Universalstil, aber auch da und dort schon Hausbauer die das Holz der Gegend sensibel mit ihrer Zeit verbinden und so ein sichtbares Zeichen für den Zeitenwandel setzen. Mitten drinnen in dem Durcheinander, trotzig hineingeduck, der alte Kammerlanderstall mit seinen kleinen Fenstern und dicken Holzbalken die an kalte und entbehrungsreiche Zeiten erinnern. Im Inneren birgt der gedrungene Holzbau viele kunsthandwerkliche Schätze, die Archiv Bibliothek des Tauriska Verlages, die geschnitzten und beweglichen Figuren des Steinberg Thoma, der uns so auf humorige Art einen Eindruck vom Leben damals überlieferte. Dann noch eine großartige Ausstellung über das Leben und Wirken Leopold Kohrs. Hier im Kammerlanderstall sind sie 1986zusammen gesessen. Der berühmte Philosoph aus Oberndorf, Der Kulturmanager Alfred Winterm Susanna Dankl-Vötter und der Christian Vötter. Dabei gründeten Sie die Leopold Kohr Akasemie und den Verein Tauriska. Im Kammerlanderstall wird ein kulturelles Erbe bewahrt, das dazu beiträgt dass sich der alte Bergstamm nicht selbst vergisst. Ihm zur rechten Zeit wieder Kraft, Zuversicht und Selbstbewußtsein gibt. Allerdings: Alles was gerade hastig rundherum entsteht muss sich auch vergleichen lassen. Mit der schlichten Schönheit der Behausungen und Alltagssachen, der geraden Art, der Ehrlichkeit und dem Stolz der Alten, die dem Land ihr Überleben abgerungen hat. So grummeln sich die Fraktionen der Erneuerer und der Bewahrer immer wieder heftig an. Aber so war es ja schon immer.

Fliegen wollen am Wildkogel

Am späteren Samstag Vormittag gleiten gondeln wir mit der Wildkogelbahn über 2000 Meter in die Höhe.  Auf der Dachterasse umschwirrt uns ein Paragleiter wie eine verirrte Hummel. Unter uns will sich eine Gruppe Überflieger mit ihrem Gerät in die Tiefe stürzen. Sieben Pinzgauer Rindviechern wissen das erfolgreich zu verhindern. Dabei ist das fliegen auch ohne Flügel nirgends leichter als auf dem 2224 Meter hohen wildkogel, dem Hausberg der Neukirchner und Bramberger. Erst lässt du deine Blicke los damit sie ungehindert in dieser prachtvollen Gipfelwelt schweifen können und dann schickst du ihnen deine Sehnsucht nach. Nach Freiheit, Schwerelosigkeit und Glück. Nur schweifende Blicke und fliegende Seelen können das ganze Land ummarmen wie es kein Bild, kein Film, kein Text vermag. Aber auch die jungen Ungestümen sollen ihre Spass haben. Noch ist der Berg ihr Turngerät. Einige aber mögen später beim Anblick dieser uralten Erhebungen eine Botschaft erkennen, in der Zeit erstarrt, so dass wir Menschlein in unserer kurzen Lebenszeit sie wahrnehmen können.

(Fotos: kama 2011)

 

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